In der B1/2-Stunde sind wir meist eine kleine Gruppe, − so zwischen 3 und 6 Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht beginnt sehr seltsam: Einer steht auf, guckt auf die Uhr, popelt in der Nase, streckt kurz die Zunge raus, kratzt sich hinterm Ohr, zieht einen Schuh aus, guckt rein, macht einen vieldeutigen Augenaufschlag, legt den Schuh auf den Tisch und setzt sich wieder hin. Die anderen verfolgen alle gebannt das Geschehen und runzeln dann und wann fragend die Stirn. Dann versuchen sie, im Präsens oder im Perfekt so genau wie möglich das zu erzählen, was er da gerade gezeigt hat: «Er hat der …» nein, «den Schuh auf …» die Frage ist wohin? Also Akkusativ: «… auf den Tisch gelegt und hat wieder sich», nein: «sich wieder» hingesetzt.
Bei dieser Erzählübung ist alles gefordert: Grammatik, Wortschatz, Satzstellung, also alles, woran wir dann im Detail sorgfältig arbeiten werden. Neulich haben wir mal zur Abwechslung uns gegenseitig erzählt, wie jeder seinen Kaffee kocht, da gab es erstaunliche Unterschiede: Vom einfachen Nescafé bis zum türkischen Gewürzmokka … und nebenbei gab’s die Repetition des ganzen Küchen-Wortschatzes vom Wasserhahn über die Tassen im Schrank bis zum … Wie nennt man es eigentlich korrekt, das Mokkatöpfchen?
Ein weiterer Fixpunkt ist das Textlesen: Gedichte, Liedtexte − «Der Mond ist aufgegangen» war letztes Mal dran −, dann auch lakonische Kurztexte von Peter Bichsel oder etwas aus der Zeitung …
Im Moment beissen wir uns durch die harte Materie der Reflexiv-Verben mit den dazugehörigen Präpositionen. Warum heisst es «sich aufregen über etwas» und nicht «von etwas»? Wir reden, denken, streiten im Deutschen immer über … Ist das typisch?
Weitere für Fremdsprachige ziemlich rätselhafte Gebiete wollen wir noch erobern: «Er hat nicht mehr arbeiten können». Warum nicht «arbeiten gekonnt»? Es heisst ja auch: «Er ist sitzen geblieben». Und: «Er hat sich bedienen lassen» und «sie hat die Handtasche liegen lassen» oder «liegen gelassen»?
Oft kommen in letzter Zeit Fragen: Warum ist das so? Gibt es da einen Grund? Oder zumindest eine fixe Regel? Oft gibt’s ja die Regel. Aber dann: Viele Ausnahmen. Deutsch ist … − sagen wir’s mal so − nicht ganz einfach.
Michael Birkenmeier